Zurück aufs Rad – ein paar ernste Gedanken

Heute wird es mal etwas ernster, nachdenklicher und trotzdem am Ende positiv. 

In jungen Jahren, so mit 17, 18, 19… bis ca. Mitte 20 bin ich sehr viel mit dem Rad gefahren. Nicht nur in Ermangelung der finanziellen Mittel, ständig alles mit dem Auto unternehmen zu können, sondern auch, weil mich Erzählungen meiner Eltern zu ausgedehnten Radreisen immer wieder dazu inspiriert haben, es ihnen nachzutun.

Damals noch im Münsterland wohnhaft, fuhren wir regelmäßig in den Ferien nach Ostfriesland zu dem damals noch „zweiten“ Haus, welches Jahre später, der Alterswohnsitz meiner Eltern werden sollte, und verbrachten unseren Urlaub damit, an diesem Haus Renovierungs- und Umbauarbeiten vorzunehmen. 

Die Strecke von 230 km mit dem Rad fuhr ich gelegentlich mit dem Rad in zwei Tagesetappen. Das war sozusagen mein Teil des Urlaubs. Unternahm Radtouren durch das Münsterland von Jugendherberge zu Jugendherberge oder an der Nordseeküste entlang. Pendelte dabei mit einem befreundeten Kapitän und seiner Mannschaft des Bauamtes für Küstenschutz zwischen Inseln und Festland hin und her und fuhr dann wieder Etappen mit dem Rad. Selbst meine spätere erste Frau lernte ich auf einer dieser Touren kennen, blieb mit ihr über Jahre in Kontakt und erst bei einem Wiedersehen 4 Jahre später wurde mehr daraus.
Ich fuhr zu einer Freundin nach Braunschweig, um dort ein Wochenende zu verbringen. Und als ich später (nach der Ausbildung) mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg in Bad Driburg nachholte, fuhr ich die Strecke von dort zurück ins Münsterland, in die Heimat und zu meiner damaligen Freundin in Dortmund am Wochenende gelegentlich mit dem Rad. 

Doch diese Aktivitäten schliefen irgendwann ein. Familie, Beruf, Karriere, immer gab es Gründe, die dagegen sprachen allein auf Tour zu gehen. Bis auf kurze Tagesetappen oder mal eine Fahrt zum besten Freund wurden über Jahre nicht mehr viele Kilometer gefahren. 

Es folgte die Trennung mit all den Nachwehen, und weiter gab es immer wieder »Gründe«. »Gründe« sich nicht aufs Rad zu setzen, »Gründe« keine Tour zu machen. 

Irgendwann eine neue Partnerin und auch hier gab es die besagten »Gründe«.

Doch auch immer wieder der Traum, endlich mal wieder große Radreisen zu unternehmen. Zwischendurch gab es sogar mal Pläne für eine große Deutschlandtour oder vielleicht sogar mal eine Fahrt nach Santiago de Compostela. Doch immer wieder gab es »Gründe«.  

Geld, Zeit, das passende Rad, fehlender Urlaub, fehlende Fitness, fehlende Konsequenz und tausend weitere »Gründe«. 

Dann, mit dem Wechsel zur CEWE als Arbeitgeber, gab es die Möglichkeit eines Business Bikes, eines Leasingsrades über den Arbeitgeber. Endlich schienen die Träume wieder realisierbar und in greifbare Nähe zu kommen. 

Ich suchte mir ein Rad aus, ein Schindelhauer Arthur, denn ich wollte unbedingt ein Rad mit Riementrieb, guter Schaltung und da gab es nicht viele am Markt. Es sollte auf keinen Fall mehr eine Kettenschaltung sein. 

Das Rad (zumindest mein Arthur) schien alles zu bieten, was ich gesucht hatte. E-Antrieb mit Mahle Heckmotor, Pinion Getriebe und dazu war es so leicht wie ein gewöhnliches Rad ohne Antrieb normalerweise war, würde sich also auch ohne Strom wie ein normales Rad fahren lassen. 

So weit die Überlegung und so weit auch richtig und dennoch falsch. Meine Fitness reichte bei weitem nicht aus, um mit dem Rad, bei dem schon nach 30-50 Kilometern der Akku schlapp machte, große Distanzen zu überwinden. Klar könnte man nun sagen, hättest Du halt mehr trainieren müssen. Aber einen anderen Aspekt hatte ich nicht berücksichtigt. Das Rad musste gänzlich ohne Federung auskommen. Nicht mal eine gefederte Sattelstütze oder andere leichte Hilfen, die die harten Schläge unserer in Deutschland üblichen schlechten Radwege reduzieren konnten, ließen sich verbauen. 

Zusammen mit einem über die Jahre angefutterten Übergewicht spürte man die Belastung bei jeder Bodenwelle doch erheblich. Super schmale und damit extrem aufgepumpte Reifen taten ihr übriges, den Fahrspaß zu verderben. 

Auf Radtouren z. B. mit der NABU-Gruppe stellte ich immer wieder fest, dass ich auf den gewählten Radwegen zum Teil nicht einmal fahren konnte, wollte ich nicht eine 8 im Rad oder gar mehr durch die harten Schläge gefährden. Auf einer einfachen Schotterstrecke schlugen gröbere Steine auch schon mal trotz des hohen Luftdrucks und veränderter Reifen einfach durch und verursachten einen Plattfuß.  

Und so ließ die Freude über das neue Rad immer mehr nach und die Idee von Radreisen rutschte realistisch betrachtet in immer weitere Ferne. Ich musste mir eingestehen, beim Leasing auf das falsche Rad gesetzt zu haben. Das Rad war toll für kleine Touren, für die Fahrt zum Doc, mal eben nach Oldenburg, kleinere Besorgungen machen. Aber alles mit einem gewissen Anspruch, das funktionierte einfach nicht.  

Der Traum von Radreisen blieb, aber mit ihm auch die immer häufiger genannte Ausrede »später«. 

Doch wann sollte »später« sein? Vielleicht zur Rente?

Einige Male, sprach ich auch mit Michaela, meiner Frau darüber und sie stellte durchaus ein wenig provokant die Frage, wann denn »später« sei, wenn ich davon sprach »später« mal wieder Radreisen, längere Touren und ähnliches unternehmen zu wollen. 

Doch der Auslöser, endlich etwas zu ändern, kam unerwartet und mit einem richtigen Hammer um die Ecke. 

Im Februar dieses Jahres erhielt ich eines späten Abends einen Anruf. Eigentlich schon zu einer eher unverschämt späten Zeit, in der man höchstens dann noch jemanden anruft, wenn gerade jemand wichtiges gestorben ist oder die Welt untergeht. Aber ganz gewiss nicht zu einer Zeit, in der man einfach mal so einen Freund oder Kumpel anruft. Doch genau das war der Fall, am anderen Ende der Leitung war ein alter Freund aus meiner Kindheit und Jugend. Jemand, den ich sogar seit Jahren nicht gesprochen hatte, auch weil er es selbst mir immer schwer gemacht hatte, den Kontakt und die Freundschaft aufrecht zu halten. 

Ihr kennt das sicherlich alle. Der Typ Freund, der der beste Kumpel ist, solange man selbst immer den Kontakt pflegt. Nur irgendwann wird man erwachsen, ein paar Prioritäten im Leben verändern sich, und wenn dann beide Seiten sich nicht aktiv um den Erhalt der Freundschaft bemühen, dann bleibt eben diese Freundschaft irgendwann auf der Strecke und besteht eigentlich nur noch aus Erinnerungen an alte Zeiten. 

Eben dieser Freund, nur ein Jahr älter als ich, berichtete mir von einer unheilbaren degenerativen Erkrankung, die schrittweise ein Leben, wie man es sich im Alter eigentlich eher vorstellen mag, völlig unmöglich machen wird. Wie sein Leben weiterhin verlaufen und sein Lebensabend überhaupt einmal aussehen wird, ist noch nicht gänzlich absehbar, aber gut sieht es nicht aus.  

Für mich war diese Nachricht nicht nur ein Schock, sondern auch ein Weckruf. 
Diese ganze „Verschieberitis“, dieses „ich mache das später“, „wenn ich auf die Rente zugehen dann…“ was brächten diese ganzen Ausreden mir eigentlich, wenn es dieses Später vielleicht gar nicht geben wird?
Plötzlich wurde mir vor Augen geführt, wie anders als geplant und wie unabänderlich und gnadenlos unbeeinflussbar das Leben verlaufen kann. Dass das Leben einen in Bahnen werfen kann, für die keine einzige Ausrede gut genug ist, sondern wo sie einfach rein gar nichts mehr bewirken und zählen.  

Am nächsten Morgen nach diesem Telefonat, fragte mich meine Frau, die den Abend zuvor bereits längst schlafen gegangen war, wie lange ich denn noch telefoniert hätte und warum überhaupt so lange, schließlich stehen wir morgens immer um 5 Uhr auf, da wird es für gewöhnlich nicht so spät bei uns. 

Ich erzählte ihr in einer möglichst kurzen Zusammenfassung von dem Telefonat und all den Dingen, über die wir sonst noch so gesprochen hatten. 

Ihre Reaktion war eine Frage an mich. 

„Und wann änderst Du jetzt Dein Leben und machst endlich die Dinge, die Du schon so lange tun willst? Wann kaufst Du Dir endlich das richtige Fahrrad für Dich, wann gehst Du endlich auf Tour?“

Das war für mich das endgültige Signal, es musste etwas passieren. Und so begann die Suche nach dem richtigen Rad, dem richtigen Händler, und nach einer Idee für die erste Radreise. 
Doch das sind Details für weitere Beiträge, die noch folgen werden.  

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