Sommerurlaub 2025 – Tag 2 – von Nieuw-Amsterdam nach Laag-Soeren / Nachtrag

Heute soll es die erste Hälfte durch die Niederlande sein. 126 km stehen auf der Uhr und mit 270 Höhenmetern für das ach so flache Niederländchen gar nicht so wenig.

Der geübte Bergfahrer wird über die paar Meter sicherlich lachen, aber mit dem ganzen Gepäck und dem Trailer hinten dran macht sich das schon ganz ordentlich bemerkbar. 

Ganz typisch niederländisch ging es zunächst an langen Kanälen, Grachten, Wieken oder wie auch immer man die einzelnen Wasserzüge nennen und unterscheiden mag, ich weiß, die Niederländer haben da eine feine Unterteilung und legen durchaus Wert auf die korrekte Bezeichnung, ich habe mir das aber nicht merken können.
Wie man sehen kann, gibt es aber auch nicht überall glatt gebügelte Fahrradwege, sondern dort gibt es auch die eine oder andere Pflasterstraße. Nur sind halt auch die meist besser in Schuss als bei uns so manche Straße. 

Und natürlich dürfen auch die bekannten Klappbrücken nicht fehlen, die Schiffen die Durchfahrt gewähren. Hier in etwas einfacher Form, dafür aber noch in Funktion. Oft sind diese Brücke inzwischen aber, vor allem an den nicht mehr per Schiff befahrbaren Kanälen, reiner Zierrat ohne Funktion, sie sehen nur so aus als ob. Kenne ich aber auch schon zur Genüge aus dem ostfriesischen Raum. 

Was man sowohl in den Niederlanden, als auch in Belgien und auch Frankreich häufig findet, sind Gedenken an ein dunkles Kapitel der Geschichte. 
Hier am Beispiel von Suze Zilverberg, die 1921 in Dalen als Kind einer liberalen jüdischen Familie geboren wurde. Zum Zeitpunkt der Gestapo Razzien am 2. Oktober 1942 und dem Beginn der niederländischen Judenverfolgung, dessen bekannteste Vertreterin sicherlich Anne Frank sein dürfte, arbeitete Suze als Dienstmädchen bei einer Familie in Assen. Als die Gestapo bei Ihren Dienstherren vor der Tür standen, konnte sie in letzter Minute durch die Hintertür flüchten und sich von den deutschen verstecken. In ihrem Versteck erhielt sie die Nachricht von ihren Eltern, die schrieben: „Wir sind im Zug und werden deportiert, wo Suze ist, wissen wir nicht!“ Dieser Brief, der eigentlich von Suzes Eltern an ein paar Freunde gerichtet war, ist das letzte Lebenszeichen, welches Suze je wieder von ihren Eltern erhalten hat. Über verschiedene Verstecke, immer in der Gefahr entdeckt zu werden, landete Suze schließlich in Klazienaveen bei der Familie Meester. 1948, 3 Jahre nach Kriegsende heiratete sie deren Sohn Jan.  
Suze wurde 95 Jahre alt, ihre Eltern und restliche Familie hat sie nie wieder gesehen, alle kamen in Lagern um. 
Das Denkmal ihr zu Ehren steht am Ortsrand ihres kleinen Heimatortes Dalen auf einem alten jüdischen Friedhof, der nach dem Krieg wieder hergerichtet wurde. 

In Coevoerden dann die erste Rast und an einer Wohnmobilstation zum ersten Mal nachgeladen. Die Zeit für einen kleinen Einkauf bei Lidl genutzt, die es hier in den Niederlanden ebenso wie Aldis an jeder Ecke gibt. 

Aber bereits hier deutete sich ein Problem an, welches mich zusammen mit dem immer unwägbaren Wetter zu einem kompletten Umdenken bei meiner Tourenplanung zwingen würde. 

Auf dem nächsten Bild ist der zeitliche Verlauf des zweiten Fahrtages zu erkennen. Man sieht deutlich die langen Pausen zwischen den wilden Zacken der sportlichen Aktivität.


Die langen Pausen habe ich aber nicht etwa aus Faulheit gemacht, sondern sie waren nötig, um den Akku des Rades nachzuladen.  Vor allem der immer heftiger werdende Gegenwind forderte seinen Tribut und mich nur aus eigener Kraft dagegen anzustemmen, dazu reicht meine Fitness einfach nicht und das Gespann ist auch zu schwer. 

Ein paar Tage später sollte ich in Kortrijk ein älteres Paar kennenlernen. Erfahrener Weltenbummler auf dem Rad, die selbst schon Thailand, Vietnam und Nachbarländer auf dem Rad durchquert hatten und vor ein paar Jahren 14 Wochen lang im Hochsommer Spanien und Portugal erkundet hatten. Also Radreisende mit reichlich Erfahrung und hart im Nehmen. Doch auch sie berichteten davon, an diesen Tagen (sie waren eine zu mir vergleichbare Route gefahren) als reine Bio-Biker (ohne E-Antrieb) nur mit Mühe und Not 10 km/h im Schnitt geschafft zu haben, wegen des ständigen starken Windes. 

Nun wäre es einfach zu sagen, na wärest Du fitter, hättest Du das Problem mit dem Akku nicht. Aber dann ergäbe sich daraus ein anderes Problem. Würde meine Durchschnittsgeschwindigkeit massiv sinken, dann würde ich einfach zu lange brauchen, die angestrebten Kilometer pro Tag überhaupt zu schaffen. In den nächsten Tagen standen Tagesetappen auf dem Programm von bis zu 177 km. Das würde bedeuten, wenn die Durchschnittsgeschwindigkeit (Pausen und Fahrtzeiten eingerechnet) unter 17-18 km/h sinken würde, dann würde ich dafür schon mindestens 10 Stunden benötigen. Wehe dem, es käme dann noch etwas dazwischen, was die Zeitplanung weiter durcheinander bringen sollte. 

Entlang der Vechte ging es weiter in Richtung Ommen. Ein Wetterumschwung und die Erkenntnis, dass ich irgendwo meine Sonnencreme verbaselt hatte, zwangen zu einem Abstecher zu einer Apotheke, denn etwas vergleichbares wie bei uns die Drogeriemärkte wie Rossmann, Müller oder DM konnte ich auf die Schnelle hier nicht ausmachen. Dafür war die Beratung äußerst freundlich und ich erhielt nach dem Kauf der Sonnencreme (immerhin ein nicht ganz billiges Markenprodukt von La Roche Posay) sogar noch die passende After Sun Pflege dazu geschenkt, nachdem die Apothekerin erfahren hatte, wie viel ich in den nächsten Tagen mit dem Rad unterwegs sein würde. 

Bei einem typisch niederländischen Essen gab es die nächste dringend notwendige Ladepause. Da mich dies einige Zeit kosten würde, den Akku möglichst weit zu laden, gönnte ich mir nach dem Mittagessen auch noch eine kleine (na ja, sooo klein war sie gar nicht) Leckerei. Aber das Eis war wirklich super lecker und die Angestellten im Restaurant waren super nett und hilfsbereit, räumten ein paar Stühle beiseite, damit ich mein Rad laden und es dabei trotzdem im Blick behalten konnte. 

Insgesamt ist hier trotz des hervorragenden Ausbaus des Radwegenetzes »Ladeinfrastruktur« ein Fremdwort. Da gibt es tatsächlich etwas, dass wir Deutschen diesen Ländern tatsächlich mal voraus haben. Auch wenn der Ausbau öffentlicher Lademöglichkeiten immer wieder kritisiert wird, viele Ladestellen bei uns nicht zuverlässig funktionieren oder manche sogar behaupten, bei der heutigen Reichweite der E-Bike-Akkus wäre eine Ladeinfrastruktur gar nicht mehr erforderlich, gibt es immerhin eine. Alle paar Kilometer gibt es irgendwo eine öffentliche Ladesäule. Sowas findet man in den Niederlanden nicht (und wie sich später herausstellen sollte auch nicht in Belgien oder Frankreich)

Weiter ging es durch die wunderbaren Hemelerberger Heidelandschaften in Richtung Oberijsselkanal, an dem unterbrochen durch eine erneute Ladepause an einer Kajakstation (leider habe ich von dort keine Fotos) in Richtung Deventer. 

Der Besitzer der Kajakstation war ein leidenschaftlicher Sammler alter Motorroller und Mopeds und hatte in der Halle hinter seinen Kajaks eine ganz Reihe alter NSU, Kreidler, Schwalbe und Hercules Oldtimern stehen, die alle mustergültig renoviert waren. Auch wenn er kaum Englisch sprach, reichte das Thema an sich schon für einen angeregten Austausch, der die Wartezeit während des Ladevorgangs angenehm verkürzte. In einem weiteren Schuppen kamen dann noch eine ganze Sammlung alter Renaults zum Vorschein. Vom R4, der auch bei uns durchaus vielen noch bekannt sein dürfte, gab es aber auch noch einen eher seltenen R6, einen R16 und einen gerade in der Restauration befindlichen aus Spanien importierten R12 aus dem allerersten Produktionsjahr von 1969. 

Nach dem Laden führte ein gut ausgebauter Radweg in Richtung Deventer, der aber nicht einfach nur direkt am Ufer des Kanals entlang verlief, sondern eine interessante Wegführung durch den Kanal säumenden Wald aufwies. Das Anlegen des Kanals um 1850 herum führte dazu, dass der Aushub für den Kanal auf der einen Seite zu einer leicht hügeligen Landschaft führte, in dem Heidepflanzen, Heidelbeeren und vor allem Kiefern und niedrige Eichen und Buchen wuchsen. Der Radweg wurde sich durch diese Landschaft mäandernd angelegt und macht mit seinen vielen wilden Kurven und kleinen spitzen Steigungen und Gefällen von über 10% (jeweils aber nur für ein paar Meter) das Radfahren zu einem richtigen Erlebnis. 

Vorbei an Deventer und Zytphen ging es schließlich zum Tagesziel, einem kleinen Campingplatz namens „De Brummel“, dem Etappenziel des heutigen Tages.  

 

© 2025, DeBussy. All rights reserved.