Blickpunkt, so nannte sich seit einer gefühlten Ewigkeit die Jahreszeitung des Clemenentinums, der Schule, auf der ich von 1988-1992 auf dem zweiten Bildungsweg mein Abitur nachgemacht habe.
Das Clemens-Hofbauer-Kolleg mit seinem Studienheim St. Klemens (kurz Clementinum) in Bad Driburg ist, oder inzwischen muss man leider sagen, war eine Einrichtung des zweiten Bildungsweges im nordrhein-westfälischen Bad Driburg gelegen, die in Form einer Kollegschule mit angegliedertem Wohnheim die Erlangung des Abiturs ermöglichte.
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Jedes Jahr flattert mir immer noch der aktuelle Blickpunkt jeweils im Sommer auf den Tisch, der von den letzten Aktivitäten rund um die Schule und das Clementinum berichtet. Leider in den letzten Jahren immer wieder eher traurige Nachrichten. Aus der einstmals stolzen und wirklich guten Einrichtung wurde in den Jahren immer weniger.
Während man offiziell von ausbleibenden Schülerzahlen auf Grund ausreichend alternativer Möglichkeiten das Abitur zu erwerben spricht, halte ich die mangelnde Flexibilität und letztlich auch die „Preisfrage“ für den eigentlichen Grund für den Niedergang und letztlich die Aufgabe der Schule.
Ursprünglich mit dem Gedanken gegründet sogenannten Spätberufenen den Weg zum Priester zu ermöglichen, war dieser Gedanke schon zu meiner Zeit längst nicht mehr überwiegende, ausschlaggebende und treibende Kraft für Schüler, das Clementinum zu besuchen. Nicht einmal die Hälfte der Absolventen fühlten sich später, nach dem Abitur wirklich zu kirchlichen Berufen hingezogen und noch weniger absolvierten gar den Weg bis zum Priester. Vielmehr, und so empfand ich es auch, war das Clementinum eine wirklich hervorragende Einrichtung um ohne nebenberufliche Verpflichtungen einer Abendschule, losgelöst von Elternhaus oder anderen unterstützenden Verpflichtungen sich, voll auf die Schule konzentrieren könnend, sein Abitur nachzuholen.
Sicher, man musste die ein oder andere Einschränkung in Kauf nehmen. Annstelle von Englisch oder Französisch wurde Latein und Griechisch gelehrt. Hier merkte man die Ausrichtung der Schule, die immer noch klar auf kirchliche Berufe abzielte und daher die passenden Sprachen, wie sie auch im Theologiestudium noch wie vor noch zum Regelstudium gehören, in den Vordergrund stellten.
Auch die naturwissenschaftlichen Fächer wurden eher weniger intensiv beackert. Geisteswissenschaften standen eher im Vordergrund. Soziologie, Deutsch, Geschichte und nicht zu vergessen Religion.
Ich empfand, der Kirche auch damals schon nicht so ganz besonders nahe stehend, dass trotzdem durchaus noch als zumutbar, wenn es auch durchaus viele streitbar konservative Geister gab, deren Einstellung zum Glauben sicherlich die Klassifizierung „Fanatismus“ nur knapp verfehlte. Aber eine solche Schule ist doch letztlich auch nichts anderes als ein Spiegel unserer Gesellschaft, nur eben in sehr stark verkleinertem Maßstab.
Ein Problem der katholischen Kirche im allgemeinen hatte jedoch auch die Schule damals schon. Verknöchertes festhalten an überalterten Traditionen, mangelnde Flexibilität und ein breitangelegtes und vollständiges Fehlen auf die Anforderungen der Moderne angesprochen zu reagieren.
Klar, die Ausrichtung der Schule war noch immer, möglichst viele Absolventen für potentielle Karrieren in der Kirche, idealerweise als Priester zu gewinnen, und danach wurde sicherlich auch die Rentabilität der Schule berechnet. Denn klar war schon damals, nur mit unserem Studiengeld, wir zahlten einen Anteil aus dem uns zustehenden Schülerbafög an die Schule, war die Schule nicht zu finanzieren. Viel zu teuer und aufwändig waren dafür die Internatsunterbringung, die Unterhaltung der Gebäude und die laufenden sonstigen Kosten. Ohne kräftige Zuschüsse aus den die Schule tragenden Bistümern Münster und Paderborn, hätte die Schule bereits damals keine Überlebenschance gehabt.
Ich behaupte bis heute, so lange die Schule genügend Priester abwarf, waren auch die anderen, der Kirche nicht so stark verbundenen Schüler, finanzierbar. Nur mit einer immer geringeren „Priesterquote“ unter den Absolventen wurde die Schule mehr und mehr zu einem extrem teuren Zuschussprojekt und irgendwann musste man sich als Finanzier die Frage stellen, wie viele Scheine will ich im Nirvana versenken, in der Hoffnung am Ende kommt mal ein so dringend benötigter Priester bei raus. Nun das Rechenexempel ist ganz einfach. Man macht es entweder so lange bis man es sich aus Geldmangel überhaupt nicht mehr leisten kann, oder eines Tages wird die Quote so niedrig sein, dass im Prinzip über andere Wege, wie z.B. die ganz normalen Schulen oder öffentliche Kollegschulen, in die ich nicht Unsummen investieren muss, ebenso viele oder gar mehr Absolventen den Weg in Priesterberufe finden.
Zusammen mit der bereits angesprochenen mangelnden Flexibilität, einer scheinbar tief verwurzelten katholischen Eingenschaft, sich den Entwicklungen der Moderne zu verschließen, führte dies zusätzlich zu immer weiterem Rückgang der Schülerzahlen, die schließlich generell im einstelligen Bereich pro Semester lagen und somit das Ende der Institution noch weiter beschleunigten.
Irgendwann wurde die Schule aufgegeben, weil auf Grund mangelnder Schülerzahlen nicht mehr haltbar und das Gebäude nur noch als Wohnheim genutzt, während man die Schüler zum Westfalen-Kolleg nach Paderborn kutschierte, ein Unterfangen, dass allein vom Kosten-Nutzen-Aufwand von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein musste. Außerdem nicht gerade ein werbender Umstand, der die Schülerzahlen beflügelte, sondern, der eher dass Gegenteil bewirkte.
So wurde das Wohnheim, das Herzstück des Ganzen, schließlich auch aufgegeben und die verbleibenden Schüler zogen nach Paderborn um. Zunächst in einen Trakt eines inzwischen ebenfalls zur Hälfte leerstehenden Schwesternhauses eines Nonnenklosters und schließlich in ein paar angegliederte Räume des Priesterseminars in Paderborn. Ein vorgezeichnetes Ende, ein nur immer weiter herausgezögerter langsamer Tod einer einstmals gut gedachten Einrichtung.
Ich glaube nur, der alte Bernhard Zimmermann, mag er als Gründer sicherlich ein eher konservativer Anhänger der katholischen Kirche gewesen sein, würde sich heute über diese Entwicklung ärgern. Erst seine Ideen, sein Wille Dinge anders zu machen als es das damalige Establishment vorsah, sein Kampf für eine Sache hinter der er persönlich stand haben das Clementinum und damit sogar den zweiten Bildungsweg erst möglich gemacht.
Ich denke, die Aufgabe seiner Erben wäre es gewesen, nicht das Clementinum in seiner ursprünglichen Form bis zum bitteren Ende zu konservieren zu versuchen, um seinem vermutlichen Andenken gerecht zu werden. Stattdessen wäre es die Aufgabe der Träger gewesen, die ursprüngliche Inspiration, mit dieser Schule Menschen einen Weg zu ebnen, den es so zuvor nicht gab; Menschen eine Chance zu bieten, die sonst einfach keine gehabt hätten; beizubehalten, weiter zu entwickeln und an die Moderne anzupassen. Unter einem moderneren Leitbild hätte eine solche Schule möglicherweise bis heute ihre Daseinsberechtigung und wäre womöglich immer noch ein Hort für potentielle Abiturienten. Dazu wäre aber leider etwas nötig gewesen, was zwar Bernhard Zimmermann, obwohl ihm das viele zum zurechnen mögen, noch besaß, der katholischen Kirche ansonsten aber weitestgehend abgeht. Nötig gewesen wäre der Wille und der Mut zur Innovation.
Schade um das Clementinum, es war eine wahnsinnig schöne Zeit, die ich auf gar keinen Fall missen möchte. Ich habe sie wirklich genossen, und auch, wenn ich inzwischen sogar aus der Kirche ausgetreten bin, ich bereue nicht einen Tag an dieser Schule gewesen zu sein.
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